Heute wird Salsa getanzt! Die Party steigt im Süden von Quito in einem unscheinbaren Haus in einer hell beleuchteten Straße. Der Süden als Heimat der weniger bis gar nicht betuchten ist Hotspot für Taschendiebstahl und noch mehr. Die wirklich helle Straßenbeleuchtung, die einen fast dazu bringt, den Dimmer drehen zu wollen, ist Teil eines Stadtentwicklungsprojektes – und die Idee funktioniert. Nun ist es Tag hell in den engen verwinkelten Gassen, und nicht mal die kleinen Kolonialzeitbalkone im ersten Stock vermögen Schatten für ein wenig Zwielicht zu spenden.
Wir springen nach 40 minütiger Fahrt aus dem Taxi und bezahlen 12 Dollar.
Salsa ist ein ganz eigenes Lebensgefühl. Zeitweise tanzen wir auch einen traditionellen afrikanischen Tanz, der mir das Herz höher schlagen lässt, so einfach und schön ist er. Alle stehen im Kreis und steigen von einem Fuss auf den anderen. Im Idealfall im Rhythmus. In diesem gemeinsamen Fluss kristallisiert sich heraus, wer die Bewegung anführt. Alle „gehen“ nun mit der Bewegung mit. Ein Arm zur Mitte, der andere zum Himmel. Erstmal links herum. Dann beide Arme zum Himmel. Die Fingerspitzen berühren sich in der Mitte und wie von unsichtbarer Energie getragen fließen sie wieder auseinander. Ein tolles Erlebnis, diese Art zu tanzen. Bei einem Pilsener, das ist das Bier, das in Quito gebraut wird, efahre ich, dass es neben den brutalen Einflüssen europäischer Conquistatores auch durch die als Arbeitskraft hierher verschleppten Menschen starke afrikanische Einflüsse auf die ursprünglich indigene Kultur gab. Ein ziemlich internationaler Mix also.
Und dann Salsa. Man will mir einreden, dass Salsa watscheneinfach ist und so gebe ich meinen Glaubensatz „ich kann nicht tanzen auf“ und mache mit.
Lass mich den Grundschritt in meinen Worten zusammenfassen: Man tanzt Walzer ohne Drehung, zählt dabei bis 4, macht nach der 3 aber eine Pause. Es ist der Hit. Nach dem 5 Bier scheint das Ganze auch Sinn zu machen und Freude macht es sowieso von Anfang an. Der Tanzsaal ist eigentlich die Verbindung zwischen zwei größeren Räumen, die offenbar zu einem Restaurant gehören. Die Musikanlage besteht aus zwei überdimensionalen Boxen an je einer Ecke des Raums. Das Zentrum ist der DJ, der hinter einem Laptop wild gestikulierend die Musik zuspielt und kaum hat das Lied gewechselt hinter seinem „Pult“ hervorspringt, um mitzutanzen. Zwei kleine LED-Scheinwerfer, die mit der Musik Farbe und Form ihres Lichtkegels verändern, runden das perfekte Ensemble ab. Zurückversetzt in die unvergesslich glücklichen Stunden der ersten Schuldiscos, wo man endlich, zwischen aufgeklappten Tischtennistischen, den Mädchen, im Halbdunkel der verhängten Fenster, näherkam, fällt die Scheu von mir ab und ich kann die Noche del baile wirklich geniessen. Keine blöden, keine herausfordernden, keine provokanten Blicke treffen mich. Die etwa 20 Menschen, die zu dem Fest gekommen sind, tanzen gemeinsam, in jedweder Konstellation und voller Freude. Selten habe ich ein so unkompliziertes wie harmonisches Fest erlebt. So wird getrunken, mehrheitlich von mir, getanzt, mehrheitlich von allen anderen und paritätisch Nachos mit Guacamole genascht, bis die Sonne aufgeht oder die Corona-Sperrstunde zuschlägt. Angesicht der wirklich hellen Aussenbeleuchtung, lässt sich nicht ganz zweifelsfrei bestimmen. Gute Nacht.