Ich liege praktisch den gesamten Tag in einem Urwald Fluss. Nun könnte ich seitenweise über das glasklare Wasser, die Fischreier, die magischen Steinformationen und die heiligen Plätze auf den Inseln schreiben oder über die abnormal riesigen SPRINGENDEN Spinnen, die hier am Ufer leben, aber ich will einen ganz besonderen Moment mit dir teilen. Nach etwa 30 Minuten Spaziergang durch den Urwald klettern wir den steilen Hang zum Flussufer runter und steigen ins Wasser. Ja, man kann an Lianen Schwingen… und es macht richtig Spaß. Der Fluss ist knietief und man kann recht komfortable von Stein zu Stein steigen und so klettern wir Stromaufwärts auf eine Stufe aus etwa 1 Meter Hohen Steinen, die eine fast perfekte Rundung haben. Über unzählige kleine Rinnsale, man könnte fast Wasserfällchen sagen, braust der Fluss über und zwischen den Steinen hindurch.
Es tost und rauscht und gurgelt und hat auch manch tiefe Stelle in der man ganz plötzlich ganz in das kühle, frische Nass taucht. An einer Stelle haben sich zwei Brocken gefunden, die den Strom für einen Moment aufstauen, bevor er dann doch mit all seiner Kraft darüber hinweg rauscht. Die Strömung an dieser Stelle ist so stark, dass man sich fast nicht mehr auf den Beinne halten kann und so lasse ich mich langsam in die Fluten sinken. Die Füße gegen die beiden Steine gestemmt, finde ich oder besser findet mich ein ungeahntes Gleichgewicht aus Strömung, Auftrieb und meinem Körpergewicht. Ich kann mich umdrehen und die Füße über den Rand hinaustreiben lassen und so sitze/hänge/schwebe/liege ich mitten in der Strömung getragen von der Kraft des Flusses. Ich lehne mich weiter zurück und tauche mit dem Kopf in den Fluss. Die Indigenen sagen, dass der Fluss alles von einem abwäscht, was man nicht mehr tragen muss.
Das kalte Wasser umspült meinen ganzen Körper und den Geist gleich mit – alles um mich herum ist förmlich Fluss. So muss ich den Indigenen recht geben, denn der Fluss nimmt alles mit sich. Mal ein Blatt, mal ein Ast und auch kleine Steine werden mitgerissen, umspielen meinen Körper im Wasser und verschwinden schließlich in dem schäumenden Berg zu meinen Füßen. So wie alles Schwere von mir abfällt und vom Fluss mitgenommen wird, denke ich an zu Hause und das schreckliche Gesicht, dass die Kraft des Wassers dort gerade zeigt. Allen Menschen besonders aber den Betroffenen der Hochwasser überall auf diesem Planeten wünsche ich die Ruhe und die Kraft, die mir in diesem Moment gerade vom Fluss geschenkt wird um ihr Leben und die großen Herausforderungen die sich Ihnen gerade jetzt stellen zu meistern. Der Welt wünsche ich, dass sie ihre Kraft wieder zu einem Strom versammeln kann, der alle Lebewesen nährt, tränkt und schließlich befreit von allen Mühen. Wie ich so eins bin mit dem Strom und mein Geist und meine Seel eins sind mit dem Strom spüre ich, wie die Natur die Seele der Menschen heben kann. Nicht nur die Seele hebt die Natur, sondern auch den Arsch, der mich gerade noch am Stein gehalten hatte.
Und so wurde ich einmal mehr eins mit dem Strom und tauchte tiefer als es mir lieb war ein in den Fluss, der alles mit sich reißt. Als mit denen Beinen an Felsen anschlage und nun kopfvoraus der nächsten Stromschwelle entegentreibe, kommt es mir vor, als hätte ich die eine oder andere Schwere wieder eingeholt. Aber das lässt sich nicht sicher sagen. Der Bauch schrammt über einen Felsen, ich rausche jolend das nächste Wasserfällchen hinab und storniere im Geist, der nun befreiter ist, als es uns beiden lieb ist, die Canyoning Tour für den nächsten Tag. Als mein Leben so um die Wette mit den steilen Urwald-Ufer-Böschungen vorbeizieht nehme ich mir vor, das eine oder andere Bild von der Kraft des Wassers nochmal zu überdenken.
In einem größeren Becken verlangsamt sich die Fahrt und im Blick zurück muss ich erfahren, dass es keine 20 Meter waren, die ich gerauscht bin. Naja. Wenn ich die Geschichte je erzähle, dann mach ich einfach 200 Meter daraus. Was aber unvermindert blieb ist das Bewusstsein, in einem Fluss zu treiben, der größer, kraftvoller und berechenbarer ist, als man sich das vorzustellen vermag. So etwas wie Vertrauen in den Fluss des Lebens macht sich breit, als ich wie ein nasser Pudel über eine Sandbank aus dem Wasser krieche.
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