Polonaruwa ist die nächste Station auf unserer Tour und nachdem wir Nala, Blackie, Shanti und Daphne – eine Straßenhündin mit ihren drei Welpen – bei einem jungen Lokalbesitzer und seiner wunderbaren Familie untergebracht haben, ist der Kopf auch wieder frei für neue Abenteuer. Die vier haben sich in einem Restaurant verkrochen, das aufgrund der fehlenden Touristen seit einigen Wochen verlassen ist und wären dort wohl zu Grunde gegangen. Die Hilfe kam und dafür wollen wir Danke sagen. Alleine hätten wir nichts ausrichten können, außer Ihnen für ein paar Tage Wasser und Futter zu bringen. Dank Lahiru, seiner Frau und der ganzen Familie, die selber nicht viel hat, aber das offenherzig teilt, konnten wir die vier retten. Dank gebührt an dieser Stelle auch dem kleinen Shih Tzu namens Simon, der für ein paar Nächte seine Box gegeben hat um Nala und den Kleinen in der Nacht einen Unterschlupf zu bieten. Alle haben zusammen mit großer Freude und Tatendrang zusammen geholfen und so ist heute auch schon die neue Box für die Familie fertig geworden. Bei uns zu Hause ein Unding, Hunde über Nacht in so einen Käfig zu sperren, aber in einer Welt, wo im Haus 6 Menschen am Boden schlafen und vor dem Haus in der Nacht giftige Schlangen, hungrige Leoparde und schreckhafte Elefanten umherstreifen, scheint es wirklich das Beste für alle zu sein, wenn Nala und die Puppies einen Ort haben, an dem sie in der Nacht wirklich in Sicherheit sind. Möglich wurde diese Rettungsaktion aber erst durch deine und eure großzügigen Spenden! In 5 Tagen haben wir über € 500,- an Lahiru weitergeben können und so der Hundefamilie ein dauerhaftes zu Hause und eine Zukunft schenken können. Mit feuchten Augen steigen wir also in ein TukTuk Richtung Busbahnhof und verlassen Sigiryia und unsere Adoptivfamilie. Die Menschen, wie die Hunde.


Sri Lanka ist in etwa so groß wie Österreich ohne Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Von seinem tiefsten Punkt am Strand bis zum höchsten Punkt, dem Gipfel des Pidurutalagala auf 2.534 Metern ist es um nur tausendeinhundert Meter niedriger als die Heimat, die von Irgendwo hinter Apleton im Burgenland mit 114 Metern über dem Meeresspiegel bis zum Gipfel des Großglockners auf 3798 Meter Seehöhe ziemlich genau 3.684 Meter Vertikaler Ausdehnung für sich verzeichnen darf. Politisch sind beide Länder seit jeher Inselparadiese für Korruption und Machtmissbrauch. Ganz gleich ob demokratisch gewählt oder von Gottes Gnaden. Topographisch hat Sri Lanka die Nase bei der Inselfrage vorne. Auf Sri Lanka leben fast dreimal so viele Menschen und etwa sechshundertsechsundsechzig Mal mehr Elefanten als in Österreich. Ja, ich habe in meiner Schätzung nicht nur die fünf afrikanischen Stars in Schönbrunn, sondern auch den einen asiatischen Elefanten, der im Tiergarten Walding lebt berücksichtigt. Bei einem Vergleich der Volkswirtschaften könnte nur das Bruttonationalglück herangezogen werden, in dem sich die beiden Yin-Yan-artig ergänzen. Gefühlt leben die Menschen hier unter den einfachsten Bedingungen und wortwörtlich “von der Hand in den Mund”. Vierköpfige Familien auf einem Motorroller und ohne Helme lächeln und hupen, wenn wir vorbeifahren, eine Ladefläche voller Teepflücker winkt und blödelt im Vorbeifahren. Die Menschen strahlen eine Ruhe und Gelassenheit aus, die auch in einem Bus kein Ende findet, der so voll ist, dass sogar ein paar Mutige oder Verzweifelte aus den Türen hängen. Wir klemmen in der letzten Reihe eines solchen Busses und statt der Vier, die man aus dem 13A gewöhnt ist, sitzen hier sechs Menschen mit uns und genießen die Schlagloch-zerfressene Landstraße und die malerische Landschaft verregneter Nationalparks. Es schüttet in Strömen und mit jedem völlig durchnässten Körper, der sich auf der 4 stündigen Fahrt in den übervollen Bus drängt nimmt der Begriff monsumartige Regenfälle in meinem Kopf Gestalt an. Die Menschen drängen sich geduldig immer weiter zusammen und jeder findet einen Platz. Oder eben niemand? Auf jeden Fall bleibt es irgendwie harmonisch und auch als ich drei fremde Rucksäcke auf den Schoss bekomme, damit eine alte Dame auf dem Schoss meines Nachbarn Platz nehmen kann, verliert niemand die Nerven. Der Schaffner drängt sich auf seinem Weg vom Fahrer nach hinten durch Lücken, die weder ich noch die anderen Fahrgäste geahnt hätten und erreicht sogar noch den letzten aus der Türe hängenden Passagier. Mir fallen die Augen zu und mein Kopf sinkt auf die Schulter des Fremden mit Oma am Schoß. Verzeiht mir meine lieben Mit-Österreicher und -innen, aber die Menschen hier sind einfach nicht so z’wider wie wir.



Kein Entkommen aus Polonnaruwa
Ich finde mich brüllend und mit hochrotem Kopf vor einer unmöglichen Person wieder, die mit fettigen Fingern Reis und Curry in ihren saucenverschmierten Mund stopft. Mordgedanken jagen durch meinen Kopf und ich bin kurz davor, ihr den Kreditkartenterminal des Ticketoffice an den Kopf zu werfen. Warum haben die sowas hier und in Sigiriya nicht? Das kleine Apple-Pay Logo an der Seite des Geräts stürzt mich endgültig in eine Hypertensive Krise. Die etwa 50 Jährige Inkarnation der Starrsinnigkeit blieb bisher unbeeindruckt von meinen wilden Drohungen die Österreichische Botschaft einzuschalten, doch dankenswerter Weise habe ich im Ayurveda gelernt auf srilankanische Art zu Essen! Ich schiebe also die lückrige Plastikwand des Ticketoffice zu Seite, setzte mich zu der Dame an ihren Schreibtisch, auf dem neben einem Berg von Reis und zahllosen Curries auch ein Schild mit “Manager” steht. Ihr Kinn klappt nach unten und ein paar Reiskörner fallen zurück auf ihren Teller, als ich in Seelenruhe beginne mich an ihrem Essen zu bedienen. Als auch meine Finger einen Happen Reis mit ein oder zwei der Saucen vermischen, weiß keiner von uns warum das Schicksal uns zusammengeführt hat, aber mein Strategiewechsel zeigt schon beim zweiten beherzten Griff in das heilige Manager-Mittagessen Wirkung. Die Hände wären ihr gebunden und sie könnte nichts tun. All das hier sei “govermental Property” und sie nur ein kleines Rad im großen Getriebe des Sri Lanka Central Cultural Fund. Ich versuche ihr ein weiteres Mal zu erklären, dass wir nichts weiter möchten, als den weitläufigen Archäologiepark der alten Kaiserstadt wieder zu verlassen, aber der Wächter am Ausgang uns nicht gehen lässt. Sie nickt und schmatzt. Man braucht ein Ticket um rauszukommen. Ich weiß, aber das habe ich verloren. Wo? Fragt sie. Keine Ahnung! Sage ich. Aber man braucht ein Ticket um rauszukommen. Ohne Ticket darf der Wächter uns nicht gehen lassen. Ich soll einfach ein neues kaufen. Das habe ich verstanden sage ich, aber ich habe hier meine Online Reservierung von heute früh und damit kann ich beweisen, dass ich bezahlt habe und sie kann in ihrem Buch – ich zeige auf das Buch in dem die Kollegin am Schalter vor 3 Stunden unsere Ticketnummern eingetragen hatte – meine Ticketnummer nachschlagen. Govermental Property sagt sie und ich zücke mein Telefon und wähle die Nummer des Kundenservice der UNESCO World Heritage Convention. I will complain very much. Sie lächelt mildtätig, lässt den Kopf auf eine “Das schau ich mir an” Art wackeln und rührt in ihrem Curry.
Hello! Is there the UNESCO Costumer Service?
Pause. Ihre Augen werden größer. Natürlich ist da niemand, ich habe nicht mal gewählt, aber irgendwas müssen die Jahre im Kindertheater ja auch gebracht haben, oder? Ich schildere meinem inexistenten aber umso hilfsbereiteren Gegenüber am Telefon die ganze Misere. Erzähle von unserer Online Reservierung, von den Original Tickets, die ich erst heute früh just an diesem Schaltern, an dem ich nun seid einer Ewigkeit stehen würde, gekauft habe und werde immer ungehaltener über die Tatsache, dass man den Park ohne Ticket nicht verlassen darf. Where my Tickets are? Das wiederhole ich besonders deutlich. I lost them. Pause. Damit es auch wirklich alle verstehen eine Wiederholung. Yes, I lost them anywhere in the Park. Ich erkläre meinem Telefon, dass ich nicht wüsste wo ich die Tickets verloren habe und auch nicht suchen kann, weil meine Freundin und ich 4 Stunden mit Fahrrädern durch den mehrere Quadratkilometer großen Park gefahren sind. Die Managerin hat aufgehört in ihrem Curry zu stochern und beobachtet mein kleines Improtheater mit Argus Augen. I´m calling, because the Lady here doesn’t allow us to leave the park anymore. We will have to stay overnight or we buy new tickets.


Schon skuril die Situaiton denke ich bei mir, wehre mit einer Handbewegung einen Satz, den die Managerin mir sagen will ab und höre besonders angestrengt der Stille in meinem Telefon zu. Ich nicke. Mache ein hm und ein aha. Dann schüttle ich den Kopf und schaue mein Gegenüber an. Ihr Blick wird unsicherer. Ich lege nach. Yes! It’s a question of costumer satisfaction. Ihr Kopf wackelt, diesmal wieder mal bejahend. Während ich so tue, als ob mir die Stimme am Telefon erklären würde, wie die Situation zu lösen ist, kollabiert die Gegenwehr der Managerin. Ich könnte wohl nach Hause gehen, müsse aber wissen, dass ihr sowas in all den Jahren noch nicht passiert ist. Im Normalfall müsse ich ein neues Ticket kaufen. Ich ignoriere sie und vertiefe mich in die imaginäre Stimme am Telefon. I will tell her that. Thank you. You too. Yes. No Problem. It´s just this lady… doesn’t matter. Yes, we’ll do. Dazu kichere ich. Die Managerin fuchtelt mit den fettigen Fingern und gibt den Damen an der Kassa über ihr Curry hinweg Anweisungen. Daraufhin darf ich das Buch mit den Ticketnummern fotografieren und habe so angeblich die Erlaubnis den Park mit Gioia gemeinsam zu verlassen. Aber zuerst muss ich erst wieder rein. Ich radl also rüber zum Haupteingang, der auch hier nicht neben dem Ticketschalter ist und nach weiteren 10 Minuten Diskussion mit den Security Leuten dort, zurück zu Gioia, die am anderen Ende des Geländes auf mich wartet. Ein Gott hat Erbarmen und Gioia kommt mir etwa 500 Meter vor dem “Gate” entgegen. Kurzer Hand entscheiden wir uns zur Flucht um jeden Preis und erhöhen das Tempo auf den wackeligen Leihfahrrädern. Noch 300 Meter. Der gelangweilte Security Mann, der sich unser Freiheit beim letzten Versuch in den Weg gestellt hat ist mit einem Van voller Holländer beschäftigt, als wir uns dem Schlagbaum nähern und lachend und winkend hinaus auf die Hauptstraße biegen. Eine tiefe Fassunglosigkeit über unseren Ungehorsam treibt in diesem Moment sein Kopfwackeln während jede Form von Zustimmung darin verflogen ist.
Die Löwin von Pollonaruwa
Wir hatten im Vorfeld einige Entführungsszenarien durchgespielt, aber in einem staatlichen Archäologie Park mit zahllosen Tempeln und Ruinen von der Security festgehalten zu werden weil man sein Ticket ausgestreut hat, damit haben wir nicht gerechnet. Dementsprechend tief von der ersten unangenehmen Situation in Sri Lanka und dem mit der Verzögerung verbundenen Blutzuckersturz getroffen, retten wir uns, wild entschlossen, die Stadt ja die ganze Insel umgehend zu verlassen und niemals wieder zurück zu kommen, in ein Restaurant. Schon auf die Frage der jungen Dame am Eingang wie es uns geht, platzt die Empörung aus uns heraus und kurz darauf übernimmt Karma die Regie und die Sache wird überraschend wienerisch gelöst.
S. ist nämlich die Tochter des Präsidenten der Hotellerievereinigung und ihre Familie, die das Restaurant betreibt ist außerdem bestens mit dem Chef der Tourist Police befreundet, wenn sie getauft wäre, dann wäre er wohl der Pate gewesen. Der Gerechtigkeit würde nach dem Essen Genüge getan werden verspricht uns der sehr aufmerksame und höfliche Herr in fast akzentfreiem Englisch am Telefon, nachdem Gioia unsere Geschichte zu Ende erzählt hatte. Wir sollten nur in die Police Station kommen und dann würde er höchstpersönlich mit uns zum Museum fahren und die Managerin zur Ordnung rufen. In einer so schweren Zeit, in der soviel von den Touristen und ihrer Kauflaune abhängt, wäre ihr Verhalten noch unentschuldbarer als unter normalen Bedingungen.
…und dann machen wir uns auf die Socken…
Bei der Tourist Police in Polonnaruwa fühle ich mich auf Anhieb wie Daheim. Drei unbeeindruckt Dreinschauende lehnen gelangweilt in ihren Bürosesseln. Zwei davon in grünen Uniformen spielen mit ihren Mobiltelefonen, der dritte putzt sorgfältig den Staub von seiner Shorts. Auf der Brust seines Poloshirts prangt ein Pegasus mit einem “Ceylon Bike Police” Banner zwischen den Hufen. Als wir unsere Mietradln vor der Glasfassade abstellen und mit größter Entschlossenheit die Stufen zum Eingang hinaufsteigen bremst uns erstmal ein Schuhregal und ein “Please take shoes off” Schild aus. Noch während ich das Schild angaffe, klettert eine der Polizistinnen hinter ihrem Schreibtisch hervor und kommt zur Türe gelaufen. In Socken. In grünen Sportsocken mit einer weißen Stickerei am Bund. Police**Police** Police** steht da. Ja, ganz recht, einmal rund um die Knöchel herum am Bund der Uniformsocken. Darüber nackte braune Beine und dann ein sehr strenger überknielanger grüner Rock, ein Waffengurt und eine ebenso grasgrüne Bluse mit einem ganzen Brett voll Abzeichen auf der einen und einer überdimensionalen Nummer auf der anderen Brustseite. Während Gioia ihre Sandalen bereits ausgezogen hat und blossfüßig lächelnd auf das obligatorische “Where are you from” antwortet, hopse ich noch einbeinig im Eiswind, der durch die offene Türe über mich hereinbricht. Bei maximal 16 Grad im Büro und Fließenboden würde ich die Socken auch nicht ausziehen denk ich und schließe die Türe hinter mir. Gioia hat einer einladenden Geste folgend am Tisch des Pegasus-Polos Platz genommen und scheint bereits ins Gespräch vertieft. Begleitet vom freundlichen Lächeln der Dame in Socken und einem “Willkommen” Kopf-Wackler ihres Kollegen, der seine Police**Police**Socken auf dem Schreibtisch liegen hat, kämpfe ich mich gegen die Sturmböen der fünf Deckenventilatoren und drei Klimaanlagen. Mit klammen Zehen erreiche ich den Schreibtisch und frage mich ob das der Beginn meiner ersten Blasenentzündung sein würde. 22 Grad Temperaturunterschied zwischen der Mittagshitze draußen und dem eisigen Fließenboden hier, lassen eine Sehnsucht nach dicken Socken in mir erwachen. Doch just als ich beginne mich mit der Alltagstauglichkeit von Gernot Blümels Beinkleid anzufreunden und ein tieferes Verständnis dafür entwickle, warum er auf den marmornen Gängen des Bundeskanzeramts trotz Socken kalte Füße bekommen haben könnte, fliegt die Glastür schon auf und mit einem Schwall schwülheißer Luft tritt die massige Silhouette des Polizeichefs aus dem grellen Gegenlicht der Mittagssonne in das bestklimatisierteste Wachzimmer der Welt.
Mit ein paar Schritten ist er beim Schreibtisch und lässt sich schwer in den Bürosessel fallen, aus dem sich der Mann im Pegasus Polo nur mit Mühe einen Augenblick zuvor in Sicherheit hat bringen können. Der Polizeichef lächelt breit und streckt uns die Hand über den Tisch. “Hello! Where are you from?”
Scheinbar hat sich diese Frage hier zu einer durchaus üblichen Begrüßungsformel für Touristen entwickelt, ein wenig wie das typische “Hola, que tal?” in Südamerika zur reinen Floskel verkommen ist. Gioia empfindet das ähnlich und kommt, ohne auf das Smalltalk Grinsen gegenüber zu regieren, direkt zu Sache. Immerhin wurde die Anamnese ja bereits am Telefonat geklärt und so könnte man jetzt sofort zur Managerin des Museums aufbrechen. Der Pegasus neben mir erzittert schon unter der Vorahnung der bevorstehenden Amtshandlung. Gioia steht auf und das Banner zwischen den Hufen wirkt nun, als würde es von einem Sturm gebeutelt. Jetzt steht der Polizeichef auf und macht einen Schritt vor den Schreibtisch. Seine dunklen Zehen blitzen voller Tatendrang unter dem Saum der etwas zu langen Uniformhose hervor während er siegessicher lächelt und sich gemeinsam mit Gioia dem Ausgang zu wendet. Der Pegasus kommt etwas zur Ruhe und mit ihm auch der Träger des Poloshirts. Wir wechseln einen Blick. Ich lächle. Er wackelt mit seinem Kopf. Diesmal hat es etwas Mitleidiges.


Wie der Reiter der Gerechtigkeit
Das Motorrad des Polizeichefs flankierend biegen wir in Dreiecksformation in die Auffahrt zum Museum. Die Horde von Guides, die auch hier auf touristische Opfer wartet schlägt sich in den Schatten der Bäume, als wir vorfahren. Es ist schon wahr, man muss sich für seine Rechte einsetzen. Wo kommen wir denn hin, wenn wir uns von einer schlecht gelaunten Beamtin derart tyrannisieren lassen. Man hat uns schlecht behandelt gedemütigt und uns unserer Freiheit beraubt, doch nun an der Seite einer örtlichen Autorität würden wir Genugtuung erfahren. Was soll das denn heißen, wir dürfen nicht mehr in den Park, wenn wir die Tickets verloren haben? Wir haben bezahlt! Wir haben Rechte! Und jetzt ist der Moment wo wir für eben diese kämpfen werden. Die Klimaanlage im Museum ist kaputt, das ist mir bei meinem ersten Besuch hier nicht aufgefallen, weil ich mit Schreien und Streiten beschäftigt war. An den Schweißausbruch kurz vor der löchrigen Plastikfolie erinnere ich mich aber. Die stechend bösen Augen der Managerin schießen giftige Pfeile in meine Richtung. Der Polizeichef nickt der Dame am Schalter freundlich zu und tritt ohne zu zögern hinter die Plastikfolie. Gioia und ich, dicht an dicht hinter ihm. Nun heisst es Einigkeit zeigen. Die Managerin nickt dem Polizeichef zu, steht aber nicht auf. Er sagt etwas auf singhalesisch. Dann sie. Wir schauen uns an. Diese Sprache klingt immer irgendwie zwischen Geschrei und Gesang. Stille. Kopfwackeln auf der Seite des Polizeichefs. Noch ein Satz, ein sehr langer. Dann Lachen der Mangerin und ein strenger Finger in meine Richtung. Gioia hält mich mit einem “misch dich nicht ein” Blick zurück. Kopfwackeln auf der Seite der Managerin. Es wirkt angespannt. Dann ein sehr lauter Satz, der zwei Museumswächter herbeieilen lässt. Der Polizeichef kontert ebenso erregt. Es geht also los. Die Kassendame mischt sich ein und wird ignoriert. Die Managerin greift zum Telefon. Der Polizeichef lacht, wackelt mit dem Kopf und sagt etwas sehr kurzes, hartes. Der Kopf der Managerin wackelt. Beleidigter Blick zu mir. “I told you you can’t go to the Museum without a Ticket.” Gioia und ich explodieren gleichzeitig. Einer der Museumswächter beschwichtigt mich, der Polizeichef Gioia. Die Konfliktkultur in Polonnaruwa scheint gerade um einige Dezibel lauter geworden zu sein. Der Polizeichef, jetzt ebenso laut wie wir. Die Managerin macht eine beschwichtigende Geste. Ich fahre dazwischen und drohe haltlos mit allen Instanzen, die mir einfallen zuletzt sogar mit einem eigenen Blogartikel über das schandhafte Verhalten dieses Drachens. Gioia widmet sich während meiner Tyrade dem Polizeichef und erhöht den Einsatz. Jetzt wollen wir nicht nur ins Museum, jetzt wollen wir alles nochmal sehen. Tatsächlich würden wir ja gerade den Tag, den wir bezahlt haben, durch die Engstirnigkeit der Managerin verlieren. Der Museumswärter versucht mir in brüchigem Englisch zu erklären, warum alles so schwierig ist, aber alle Aufmerksamkeit liegt auf dem Polizeichef, der nun einen Schritt auf die Managerin zumacht und sehr leise zu ihr spricht.
Es würde nur mehr einen Augenblick dauern, bis ihre Gegenwehr unter dem Druck der Autorität kollabiert. Kopfwackeln der Managerin. Immer noch spricht der Polizeichef. Das ist der Showdown, darin sind sich alle Umstehenden einig. Dann kreischt die Managerin laut auf wie die böse Hexe, die gerade die Kinder in den Ofen geschoben hat. Der Polizeichef prallt erschrocken zurück und mit seinen Schultern fallen auch alle unsere Hoffnungen wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Die Managerin tobt und schimpft, erklärt, dass wir an allem Schuld haben und sie sich nun nicht mehr weiter mit unseren Dummheiten beschäftigen würde. Das Blatt hat sich gewendet. Wir haben die Schlacht verloren. Plötzlich versucht auch der Polizeichef uns davon zu überzeugen auf Kullanz das Museum anzusehen und von einem Wiedereintritt in den Park Abstand zu nehmen. Fassungslosigkeit macht sich auf unserer Seite breit während die Managerin immer noch mit Schweißperlen auf der Stirn in unsere Richtung keift. Sie fuchtelt wild um sich und scheucht uns mitsamt dem Polizeichef hinter dem Kassentresen mit den löchrigen Plastikwänden hervor. Es ist ein Massaker. Während der Polizeichef sich von der rasenden Furie Richtung Ausgang treiben lässt, wirkt es so, als würden uns die beiden Wärter nun vor der Managerin in Sicherheit bringen. Mit dem bitteren Geschmack der Niederlage im Hals finden wir uns im nächsten Augenblick in einem endlosen Gang voller Schautafeln wieder, während das Knattern des Polizeichefmotorrads in der Ferne verklingt. Es hat etwa 45 Grad als wir die Dauerausstellung durchwandern, die 1998 eröffnet wurde und seitdem unverändert geblieben ist. Aber was macht es schon für einen Unterschied? Die Tristesse veralteter Texte und vergilbter Schwarz-Weiß Luftaufnahmen von Ruinen scheinen angesichts des Trümmerhaufens der von unserer Hoffnung auf Gerechtigkeit geblieben ist, nur allzu passend.
Karten – Karma – Kartharsis
Dann plötzlich hallt lautes Geschrei zwischen Amphoren und Tonscherben. Schritte im Gang und laute “Mister, Mister!!!” Rufe. Scheinbar geht die Tragödie jetzt erst in den fünften Akt. Hilfesuchend begegnen sich Gioia und mein Blick aber wir sitzen in der Falle. Verstecken ist ebenso sinnlos wie der Versuch aus dem Museum zu fliehen und so ergeben wir uns dem Schicksal und treten zwischen den zerbrochenen Amphoren längst vergangener Zeit hervor, hinaus auf den Gang und hinein in unserer enttäuschende Gegenwart. Angesicht der Schwerkraft, die die Figur der Managerin hinter ihrem Schreibtisch ausgeübt hat, scheint die Beschreibung lächerlich und doch erlaubt das Bild, dass sich uns nun im Gang der vergilbten Luftaufnahmen bietet, keine andere. Mit fliegenden Schritten und wehenden Sari, glitzernd im Gegenlicht, fliegt uns die Managerin entgegen. Im Schlepptau die beiden Museumswärter und eine dritte Person. “Mister, Mister!” Die grelle Stimme lässt mich erzittern und mit dem schlimmsten rechnen, aber als sie näher kommt, lässt sich eine bisher ungekannte Freundlichkeit auf ihren Zügen erkennen. Wüsste ich nicht, mit wem ich es zu tun habe, würde ich sagen, es ist ein Lächeln. In Gioias Blick liegt eben soviel Misstrauen wie in meinem. Wir bleiben auf alles gefasst. “Your Ticket, Mister!” Das gibts doch nicht. Will sie uns jetzt wieder rausschmeißen? “Your Ticket.” Sie reißt die Hand im Lauf nach oben, als trüge sie die olympische Fackel ins Stadion. Kein Blick bleibt in diesem Moment der Glückseeligkeit bei dem nicht zu kleinem Speckröllchen, das unter ihrem Sari hervorblitzt, denn in der Hand trägt die Managerin nichts weniger als die Lösung all unserer Probleme. Was zuvor noch mit einem Zähnefletschen hätte verwechselt werden können, ist nun ein breites wunderschönes und ansteckendes Lachen. Wir machen ein paar Schritte auf sie zu und nehmen mittlerweile ebenso strahlend unsere Eintrittskarten entgegen. Jetzt, da er mit einer Belohnung rechnen darf, strahlt auch der unbekannte dritte Mann, der uns als Finder unserer Eintrittskarten vorgestellt wird. Die beiden Museumswärter, die mit gelaufen kamen strahlen ebenso. Sichtlich froh darüber, dass das laute Geschrei nun endgültig ein Ende haben würde. In der Stille des kollektiven Grinsen steigt zaghaft die Frage auf, worüber man sich eigentlich so aufgeregt hat, doch die Managerin kommt allen zuvor. Mit einer kurzen, finalen Schuldzuweisung an uns und einem großen Dankeschön an den Finder wendet sie sich ab und verschwindet den Gang zurück zur Kassa.
Völlig entkräftet von Geschehnissen des Tages radeln wir, jetzt wieder im Besitz unserer Karten, zurück in den Park und zu den Buddha Statuten, die das Highlight in Polonnaruwa sind. Gal Vihara sind vier Statuen aus dem 12. Jahrhundert, die in den massiven Fels geschlagen wurden. Manch einer behauptet sogar, dass die liegende Buddha Figur, die mit ihren vierzehn Metern tatsächlich einer der größten in Südostasien ist, nicht weniger darstellt, als das Parinirvana des Erleuchteten. Wir haben unerwartet viel Zeit uns mit den Statuten zu beschäftigen, denn kaum erreichen wir die heilige Stätte und ziehen unsere Schuhe aus um näher zu treten, ergießt sich ein sintflutartiger Regen übers Land. Im letzten Moment finden wir Zuflucht im Häuschen des Zeremonienmeister und bleiben dort die nächsten zwei Stunden in denen der Regen nicht nachlässt. Während sich die Affen unter dem gigantischen Blechdach und die Hunde unter den Statuten zusammenkauern, reichen uns der Zeremonienmeister und ein Polizist, der den Tempel bewacht Tee. Wie könnte es an so einem Tag auch anders sein, denke ich, als dann auch noch der Strom ausfällt. Ob durch einen Blitzschlag oder einen Powercut bleibt ungeklärt. Dicke Tropfen hämmern auf das Dach der kleinen Hütte während darunter goldene Schalen für eine Abend Puja vorbereitet werden und der Vorplatz im Gatsch versinkt. Langsam dämmert es und wir haben natürlich keine Lichter auf den Rädern.


Unbeirrt von all dem Regen und meinen heutigen Sorgen lächeln die Statuen aus der Ewigkeit einer Gestalt entgegen, die im orangen Gewand und ohne Schirm durch den Regen tänzelt. Ein etwa 11 Jähriger Mönch gesellt sich zu uns. Er würde die Puja halten, erklärt der Zeremonienmeister. Langsam wird es dunkel, der Regen verklingt. Der Mönch schließt das Gitter zur heiligsten Figur in der Mitte des Temples auf und lädt uns ein an der Puja teilzunehmen. Wir klären die Sitzplatzreservierungen mit einem allzu neugierigen Frosch, der es sich nicht nehmen lässt immer wieder in Gioias Lotus Sitz hopsen zu wollen und dann beginnt das Ritual. Schnell ist der Ärger über den Frosch, die Managerin und Eintrittskarten im Allgemeinen verklungen und Ruhe kehrt ein während der Mönch sein Mantra singt und die Sonne hinterm Horizont verschwindet. Was für ein Tag.
… es ist – wie immer – eine Freude deine Texte zu lesen. Man kann gar nicht aufhören zu lesen….. weiter so … freue mich auf die nächsten Abenteuer …. mit einem Schmunzeln warte ich ….
Wenn Managerinnen flattern oder Buddha und die Schwerkraft.
Oder: Manchmal muss man sich erst leer brüllen, um ganz im Augenblick sein zu können.
ihr lieben erlebt schöne und fremde und wunderbare sachen, genießt jeden augenblick! mit oder ohne schuhe!
bleibt gesund😎