Der nächste Tag verfliegt und mit ihm der nächste und mit ihm die Wochen. Schon ist ein Monat um. Sri Lanka, du bist ein unglaublicher Flecken auf dieser Erde und ich bin dankbar und froh dich kennen gelernt zu haben. Diesen letzten gemeinsamen Tag kann ich doch nicht verstreichen lassen, ohne mich gebührend bei dir zu verabschieden. Nach zwei Monaten fliegen wir heute um drei Uhr früh nach Indien und schon die Flugverbindung sucht ihres Gleichen: Nach nur 50 Minuten Flug landen wir in Chennai, das früher Madras hieß, und dort haben wir 4 Stunden Aufenthalt um dann weiter nach Delhi zu fliegen. Ein besonderes Gusto-Stückerl der indischen Komfortflugreise ist, dass wir in Chennai das Gepäck vom Internationalen zum nationalen Flughafen schleppen müssen.
Freunde haben zum Abschiedsessen eingeladen
Dieser Satz erzählt alles, was man über ein gelungenes Kennenlernen mit einem Land und seinen Leuten wissen muss, aber es wäre doch eine Blamage für einen aufstrebenden Reiseblogger wie mich, wenn es nur bei diesem einen Satz bleiben würde. So beginnt die Rückblende auf unsere Liebesgeschichte mit Sri Lanka. Colombo, TukTuk Mafia, Ayurveda-Göttinnen, Ohnmacht am Frühstücksbuffet, Öl auf der Stirn und Ruhe im Herzen, Yoga, Mantras, Meditation und der Auszug aus dem Paradies im TukTuk. Heilige Felsen: oben Mönche und Wespen, unten Hunde und Menschen. Regen trommelt auf unser TukTuk am Weg zu alten Steinen mit flüchtigen Tickets, grimmigen Mangerinnen und Polizisten in Socken.
Dann ein überfüllter Bus nach Kandy, wo wir unsere erste Social Media Kooperation mit dem schnuckeligsten Hostel der Welt, dem Banana Bunks haben. Wir verbringen herrlich ruhige Tage im singhaleischen Schnürrlregen mit Kochworkshops und Photosessions. Den Abschluss dort macht das größte buddhistische Festival der Insel, die Esala Perahera, bei der die allerheiligste Zahnreliquie auf dem Rücken eines Elefanten zur Schau gestellt wird.
Und weil es ein Zahn des erleuchteten Buddha selbst ist, zieht er am Rücken des Elefanten, begleitet von einer gigantischen Prozession aus Trommlern, Tänzern, Feuerjongleuren und 50 anderen Elefanten vorbei, an tausenden Zusehern durch die ganze Stadt. Wieder ein Bus, denn der Regen macht eine TukTuk Fahrt unmöglich. Durch Nuvara Elija tobt ein Sturm, während wir am Feuer eine unerwartete Party mit einem Fremden feiern.
Am nächsten Morgen wieder mit dem TukTuk nach Ella. Nach zwei Wochen die ersten Touristen – außer uns. Sie sind sympathisch, aus Bayern und wundern sich, dass wir mit den Fingern essen. Auf der Nine Arches Bridge ist alles voller Menschen, die sich ihre Mobiltelefone gegenseitig ins Gesicht halten und grinsen. Wer keine(n) Partner(in) mitgebracht hat oder findet, der hält sich das IPhone selbst vor die grinsenden Backen um das immer gleiche Motiv in die Welt hinaus zu schicken. Ein Pärchen meint es scheinbar besonders ernst und ist mit Profiteam samt Blitzanlage und Reflektoren angereist.
Eine zierliche alte Dame im Sari streift einsam über die Schienen und Gioia erhascht gerade noch einen Schnappschuss auf diesen erhellenden letzten Krümel Authentizität im Instagram Wahnsinn. Ich frage mich, wohin die Alte wohl unterwegs ist und warum sie sich so schön zurecht gemacht hat und im nächsten Moment zersplittern meine Fantasien einer großen Hochzeit oder eines Tempelbesuchs, als sie sich bei ihr einhängt und mit perfekter Pose grinsend ihre löchrigen Zahnreihen präsentiert.
100 Rupees und drei Fotos später fliehen wir uns aus dem Foto-Getümmel zu einem kleinen Bretterverschlag, wo eine Frau Kokosnüsse zu Wucherpreise anbietet. Nachdem es niemanden zu stören scheint, dass sie das Dreifache des sonst üblichen Preises verlangt, lässt sie auch schwer mit sich handeln. Zähneknirschend bestrafen wir sie für ihre Gier und kaufen nur eine Kokosnuss für uns beide.
Im Licht der Stirnlampen steigen wir am nächsten Morgen auf den Ella Rock um den Sonnenaufgang zu sehen und dann geht es nach Arugam Bay. Nach dem Ayurvedapradies heisst uns das Surfparadies mit offenen Armen und Herzen Willkommen. Hang Loose. No Rush. Täglich lernen wir neue wunderbare und aufregende Menschen kennen.
Surfen, also Wellenreiten, ist ein unfassbarer Vorgang und die vielleicht schönste Art mit der eigenen Bedeutungslosigkeit zwischen Naturgewalten umzugehen. Gelingt das Wunder, gleitet der Wellenreiter schwerelos tänzelnd über das Wasser, gelingt es nicht, verschlingt das Meer ihn und sein Brett mit all der Energie, die die Wellen über tausende Kilometer ans Land wirft. Die gutaussehenden, braungebrannten langhaarigen Surferboys mit Waschbrettbäuchen und auch die gutaussehenden langhaarigen Mädels mit Waschbrettbäuchen nennen das – aufgrund der rotierenden Dynamik durchaus zutreffend – “Waschmaschine” und während ich mit aller Kraft versuche, mich aus dem salzig blubbernden Inferno zu retten, wird mir schnell klar, woher die alle ihre Waschbrettbäuche haben. So paddle ich unaufhörlich gegen Wind und Strömung immer wieder hinaus, auf der Suche nach der nächsten Welle oder meinem Waschbrettbauch. Doch die Welle lässt auf sich warten und so chillen wir erst mal mit den anderen an hoffentlich der Stelle im weiten Blau, wo die Elemente sich zum Freizeitsportanbieter vereinigen mögen. Da versteht man jenen Hai, der manch einen Surfer mit einem Leckerbissen verwechselt haben wollte, besser, planschen diese doch amouse-gueule artig auf ihren Brettern sitzend, stundenlang reglos im Wasser umher.
Doch dann fasst Neptun sich ein Herz und schon bäumt sich die See unter den belanglos Treibenden und ich paddle aus Leibeskräften und getragen auf eines Gottes Hand, selbst zur Welle geworden, schwebe ich dem Strand entgegen. Weit unter mir versinken die Bretter der Arglosen, die den richtigen Moment nicht erpaddelt haben und kaum will des Jubels Schrei der Kehle entspringen, stürzt schon der nächste Wellenberg über mir zusammen und 14 Tage sind vergangen.
Wir verlassen Arugam Bay nicht ohne Blessuren und Sonnenbränden Richtung Süden, um das stolze Fort in Galle und seinen Leuchtturm zu erleben. Der körperliche Verschleiß der letzten zwei Wochen lässt einen Fahrer als sinnvoll erscheinen und so zwängen wir uns weder in ein TukTuk noch in einen überfüllten Bus, sondern genießen die Fahrt im Fond des klimatisierten Wagens. In einem 200 Jahre alten Haus kommen wir bei einer entzückenden Familie unter, machen unsere erste eigene handmade Kokosmilch und lernen wie man Sarongs bindet.
Dann gehts, anders als erwartet nicht weiter, sondern zurück. Wir sind überraschend zu einer Beachwedding von unserem Surf-Freunden eingeladen und alleine die Bilder, die wir posten, sind so schön, dass die Community uns überschwinglich zu UNSERER Hochzeit gratuliert. Aber für uns bleibt keine Zeit zu heiraten, denn schon sind die Tickets für den abenteuerlichen Highway Bus Richtung Hauptstadt gebucht und die Reise geht weiter.
Übelkeit, Fahrtwind und Todesangst stehen wir durch, bis wir schließlich schwankend aus dem Bus und auf die heißen Pflastersteine Colombos stolpern. Nehmt euch in Acht, TukTuk Fahrer dieser Stadt, denn nach zwei Monaten Sri Lanka sind wir mit allen Wassern gewaschen! Der letzte Tag beginnt wie alle anderen auch mit Yoga – diesmal aber auf der Dachterrasse vor der Skyline von Colombo.
Dann ein herrliches Frühstück, ein entsetztes Kopfwackeln des TukTuk Fahrers, als wir ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen und ein riesiges Paket mit Dingen, die wir gekauft haben, ohne Platz dafür zu haben. Weder in unseren Rucksäcken noch in Wien. Dann die Einladung zum Essen von L., den wir beim Surfen kennengelernt und mit dem wir auf der Beachwedding gefeiert haben. Vegetarisches Sushi in einem Rooftop Restaurant am Hafen bei Live Musik und Blick über die ganze Stadt.
Die Reise geht weiter!
Der Sommer ist um, der Herbst zieht ins Land. Zumindest ins Heimatland. Eigentlich sollten wir ins Flugzeug steigen und auch nach Hause fliegen, um morgen gutgelaunt im Büro aufzutauchen. Aber diesmal ist es anders. Es geht weiter. Sri Lanka, du bist das Tor zu einem Leben in dem der Montag seinen Schrecken verloren hat, in dem ein Mobiltelefon zur Aushilfskamera verkommt, in dem der Kalender einen Logotherapeuten braucht. So stehen wir mit unseren Rucksäcken an der Schwelle des Hotels, bereit den Schritt hinaus in den strömenden Regen zu machen. So viele Begegnungen, so viele Geschichten, so viele Abschiede und jetzt gleich der von dir.
Das Licht der Straßenlaternen bricht in den dicken Tropfen auf der Scheibe, kurz bevor der völlig ramponierte Scheibenwischer sie stotternd zur Seite schiebt. Der Fahrer spricht keine der Sprachen die uns zur Verfügung stehen aber lächelt dafür umso freundlicher, während er einladend mit dem Kopf wackelt und den Kofferraum öffnet. Er hat uns um nur ein paar hundert Rupees beim Fahrpreis betrogen und deswegen lächeln wir zum Abschied freundlich zurück und greifen nach unseren Rucksäcken. Der Flughafen ist zum Brechen voll. Am Weg zur Abflugshalle bieten uns drei TukTuk Fahrer ihre Dienste an. Gioia lacht und wackelt mit dem Kopf. Zum ersten Mal. Die TukTuk Fahrer lachen und wackeln mit dem Kopf. Der Augenblick verfliegt und doch bleibt etwas davon für immer in unseren Herzen. Der Flug hat nur eineinhalb Stunden Verspätung und damit können wir in aller Ruhe das Visa-Chaos beim Check-In über uns ergehen lassen. Dann drückt die Kraft der Turbinen mich in den Sitz und mit der Weissblende beginnt auch die Sehnsucht. Wir sehen uns wieder, Sri Lanka.
Während er die Zeilen tippt wackelt sein Kopf. Unbewusst. Es ist kein Kopfnicken und kein Kopfschütteln, es ist ein Kopf Wackeln. Aber eines von diesen Kopf Wackeln, die der Schulwart macht, bevor er wutentbrannt zum Direktor stürmt um das zerschlagene Fenster zu melden oder die der Bühnenmeister macht, wenn man kurz vor Probenschluss noch einen Umbau probieren will. Ein Kopf Wackeln, das viel mehr als Nein heisst, ein “Das glaubst ja selber nicht.” Wackeln, ein “Bist du Deppat?” Wackeln, einfach ein “Geh scheißen!” Wackeln. Aber hier gerade nicht. Hier heisst das Wackeln einfach “ja” und dazu noch “gerne”.
Endlich wieder ein wunderbarer Bericht über eure Reise. Ich freue mich auf weitere!
Super
Interessant
Weiterhin viele tolle Erlebnisse
Danke für die Nachrichten!!!
Gib Deine Geschichten einem Verlag!
DANKE!
… wie immer … super, spannend….. gierig nach mehr…. hoffentlich gibts bald eine Fortsetzung….👏👏👏👏
Fernweh :)! So schön, dass ihr uns hier in der mittlerweile herbstlichen Heimat mit auf eure Reisen nehmt ❤️
So schön zu lesen, wie euch Sri Lanka inspiriert, erfüllt und ein Stück auf eurem Weg getragen hat! Ich bin im Herzen bei euch und dankbar, dass sich unsere Wege hier gekreuzt haben! Bin gespannt auf euren Bericht aus Nepal und vom Yoga! Om Shanti, eure Marlene