Auf den Philippinen wird Weihnachten wirklich gefeiert. Kein Farn, keine Orchidee, keine Palme, die nicht mit bunten Lichterketten funkelnden Sternen und/oder Weihnachtsmännern dekoriert ist. Dafür aber auch kein Tannenbaum, kein einziger weit und breit. Damit war grundsätzlich zu rechnen, dennoch sind 30° Luft-, 28° Wassertemperatur, weißer Sandstrand und 50 Shades of blueish Water im Sonnenschein eine neue Erfahrung für mich – im Dezember.



Mittlerweile haben wir genug Flughäfen dieser Welt gesehen, dass wir die Spielchen der Taximafia in Manila ohne gröberen Zeit- und Nervenverlust hinter uns bringen und rechtzeitig am anderen Terminal ankommen. Tatsächlich muss man für die 4 Kilometer zwischen dem internationalen und dem nationalen Terminal ein Taxi nehmen, weil der Airportbus nur einmal die Stunde fährt. Natürlich kostet der Wagen nicht 3$, wie von der offiziellen Taxiapp vorgeschlagen, sondern 20$. Auf unsere vorsichtige Rückfrage ob es das mit rechten Dingen zugeht, erfahren wir von unserem gelangweilten Taxizuhälter, wir hätten ja einen privaten Mietwagen gechartert und da gibt es keine Preisregularien. Sein grenzenlosen Entgegenkommen besteht darin, dass er unseren Wagen kostenlos cancelled könnte. So wuchten wir zähneknirschend die Rucksäcke in den winzigen Kofferraum und uns auf die Rückbank. Während der Fahrer lautstark mit seinem 90 Jahre Autoradio eine wirklich kläglichen elektronik Version von Coming Home for Christmas performt, versucht Gioia ihm klar zu machen, dass er und seine Taximafiabrüder mit keinem segenreichen Weihnachtsfest rechnen sollten. Doch der arme Sünder bleibt uneinsichtig bis zum Schluss und entlässt uns, trotz einer roten Ampel am Weg, nach gerade mal 5 Minuten Fahrt breit grinsend und um 20 Dollar reicher am nationalen Terminal. Während ich die Rucksäcke wieder aus dem Kofferraum schäle, winkt der dicke Filipino nochmal zwischen den Vordersitzen hindurch und ruft Gioia, die die Türe heftiger als nötig zuschlägt ein letztes aufdringlich fröhliches „Merry Christmas, Ma‘am“ zu. Dann versinken wir im Glitter behangenen Reisechaos eines vorweihnachtlichen Inselstaats.
Endlich Urlaub!
Flugzeug, Taxi und Boot in jeder denkbaren Konstellation, Bauart und Grösse sind aus dem Nahverkehr der Philippinen nicht wegzudenken. Egal auf welcher Route. Offensichtlich hat das etwas mit der Topographie des Paradieses zutun. Ob man den notwendigen Puffer von etwa vierundzwanzig Stunden, den der routinierte Philippinen Reisende in seine Pläne integriert auch dem vielen Wasser zwischen den Inseln in die Schuhe schieben kann, das bliebt offen. In unserem Fall könnte es auch an den nahenden Feiertagen oder der hohen Alkoholaffinität liegen. Oder auch an beidem.
Wir haben uns 2 Wochen Ruhe über Weihnachten versprochen und so ist ein abgeschiedenes Ressort mit Privatstrand unter Palmen unser Ziel. Faulenzen, Schlemmen und die Seele baumeln lassen, das ist der Plan. Durchaus verdient nach den letzten Monaten. So legen wir mit letzter Kraft noch einen Zwischenstopp auf Boracay, dem Mekka der Kitesurfer, ein und dann geht es mit einem Taxiboot, einer Fähren, einem Tricycle und einem Taxi weiter nach Mindoro Oriental, wo K. ein Kitesurf Ressort an einer türkis schimmernden Lagune mit glasklaren Wasser hat. Adam und Eva waren keine Kiter, denn sonst hätten sie den Apfel hängen lassen und wären auf noch eine Session bei K. geblieben. Doch die Erbsünde, die meiner Ansicht nach vor allem darin besteht, nicht zu kiten, soll hier nicht weiter Thema sein und so genießen wir die Tage in Bislig Bay. Bei Wind zwischen 20 und 40 Knoten hat man zwar ununterbrochen das Gefühl gerade auf der burgenländischen Bundesstraße einen LKW zu überholen, doch genau das sind die Bedingungen, die die Herzen der Kitesurf Community höher schlagen lassen. So genießen wir die einzigen Pausen vom Brausen während wir uns von einem aufgeblasenen Lenkdrachen mal eleganter, mal weniger über die Lagune schleifen lassen.



Sunrise, after Breakfast, after Lunch und Sundowner Session am Wasser stehen am Programm der ersten beiden Tage und damit in Kontrast zum eigentlich Plan einfach mal zu relaxen. Eine Schlechtwetterfront befreit uns am dritten Tag von der Bürde uns selbst zur Ruhe zwingen zu müssen und so hängen wir in Hängematten und lesen oder schrieben Blogbeiträge über die Tage in Vietnam, bis am nächsten Morgen wieder die Sonne lacht.
Stille Nacht? Heilige Nacht?
Dank des Muskelkaters legt sich auch die Kitegier in den nächsten Tagen ein wenig und so kommen wir pünktlich zum Weihnachtsfest doch noch zu sowas wie Besinnlichkeit, die ihren Höhepunkt in einer Muschel- und Korallenkrippen Bauaktion findet. Den Nachmittag des Vierundzwanzigsten streifen wir über den Strand und fantasieren uns eine ansehnliche Weihnachtskrippe aus maritimen Fundstücken zusammen. Da liegt ein Korallenzweig, der dem Jesukind zum verwechseln ähnlich sieht in einer großen Muschelhälfte, während die Maria mit einem dicken Bauch aus Korallensteinen andächtig an seiner Seite wacht und Josef mit den heiligen drei Königen, die Muschel als Kronen tragen, auf die Geschenke anstößt. Kaum ist unsere Installation am Fuße des Weihnachtsbaumes, der liebevoll aus Bambusbrettchen zusammengeschraubt und mit Lametta, Kugeln und natürlich einer Lichterkette geschmückt wurde fertiggestellt, eilt auch schon eine der aufmerksamen Philippinas heran und gibt dem Weihnachtsidyll den letzten Schliff.


Mit der hereinbrechenden Dämmerung erstrahlt auch unser Kunstwerk im flackernden Farbenspiel einer LED-Lichterkette. Außerdem wurden kleine Weihnachtsbäumchen als Tischdekoration aus grünen Papierbögen ausgeschnitten und das festliche Weihnachtsbuffet mit einer zweiten Lichterkette geschmückt, die die olivenöligen Rücken der gegrillten Scampi in einem Neonstakkato schimmern lässt. Schon im Vorfeld des Abends hat sich abgezeichnet, dass das der Heilige Abend auf philippinisch wohl mehr Party als andächtige, weihevolle Besinnlichkeit werden würde, aber die Wahrheit liegt noch wo ganz wo anders.
K. hat zu uns Gästen aus aller Welt noch das ganze Team des Ressorts und ihre engsten Familienmitglieder zur Feier eingeladen und so einen herrlich bunten Haufen Menschen unter dem Baum versammelt, der engerl-bengerlartig und mit viel Gelächter um die Geschenke, von denen keines mehr als 100 Pisos (1,5 Euro) kosten durfte, würfelt. Als ich mich für einen Moment entschuldige, ist das Highlight gerade eine gefälschte G-Shock Uhr, die wohl nur vorgibt wasserdicht zu sein. Wer ne sechs wirft, darf ein Los ziehen und das Packerl öffnen oder aber sich eines der bereits geöffneten Geschenke aussuchen. Die Uhr hat so in den letzten 5 Minuten schon die dritte Besitzerin gefunden und der Rest des bunten Haufens macht immer noch Jagd auf sie. Daran kann nicht mal der gefälschte Gameboy etwas ändern, der gerade von dem sehr sympathischen Franzosen ausgepackt wurde, der mit dem Fahrrad (!) von Sant Tropez nach Vietnam (!!) gefahren ist um dort seine Familie zu besuchen. Jetzt macht auch er Urlaub. Ob vom Radeln oder von der Familie ist noch nicht geklärt. So schlendere ich weihnachtspunschseelig unter einem unglaublichen Sternenhimmel über die Wiese zu den Toiletten und warte vielleicht auch den einen oder anderen Moment auf eine Sternschnuppe. Die letzten Abende fiel ein wahrer Sternschnuppenhagel vom Himmel, doch heute haben die Sterne wohl alle Hände voll in Bethlehem zu tun.
Der erste Bass hebt mich von der Kloschüssel und der Gesang danach lässt mir die Knie wieder weich werden vor Verblüffen und Entzücken. Okay, die Toiletten sind etwas abseits des großen Rundbaus mit Bambusdach in dem die Party steigt und vielleicht habe ich auch etwas länger Sternderl geschaut aber trotzdem kam der Stimmungswechsel der Party rasant. Die Filipinos haben die Kontrolle über die Stille Nacht übernommen.
Frohlocket ihr Engel, denn der Heiland ward uns geboren
Sie singen, sie tanzen, sie feiern. Ich war keine 5 Minuten am Klo und vor dem Buffet ist die Hölle ausgebrochen. Zwei Fillipinas haben Mikrofone in den Händen und jolen ausgelassen zu dem einzigen Whamm! Song den man gleichermaßen kennt und fürchtet, währen der Rest der Bande die Festtafel zur Seite geschoben hat um Platz für die Tanzfläche zu schaffen. Das Zentrum des wilden Weihnachtstreibens ist eine selbst zusammengeklopfte Karaokemaschine, die eigentlich nichts mehr ist, als zwei überdimensionale Boxen und ein Bildschirm auf dem die bunten Zeilen der Liedtexte vor mehr und weniger hübschen Bildern der Philippinen als Fließtext vorbeiziehen.




Doch wer bei Karaoke an schiefe Töne und kollektives Fremdschämen denkt, der war noch nie auf den Philippinen, denn diese Damen und Herren könnten ganz problemlos eine Coverversion der Kuschelrock CD Nr. 13 rausbringen, so gut singen sie. Das musische Talent ist zwar nicht so ansteckend wie die Euphorie mit der performt wird, aber das hält uns Fremdschäm-Karaoke-Künstler auch nicht davon ab nach dem dritten oder vierten Rum Cola nach dem Mikrofon zu verlangen. So arbeiten wir uns durch sämtliche Hits der 90er und lockern das Programm ab und an mit einem Insulaner-Folklore-Hit auf. Die Zeit verfliegt und hätten die Locals um Mitternacht nicht zur heiligen Messen im Dorf müssen, dann würden wir wohl heute noch singen.
Endlich Urlaub?
Damit ist das Jahr fast geschafft und wir könnten eigentlich ausschlafen und endlich ein bisschen relaxen aber es sollte anders kommen, denn das Wetter auf Mindoro wird schlechter und beste Ort um Walhaie in ihrem natürlichen Umfeld zu sehen, ist im Süden von Leyte und damit keine 300 Kilometer entfernt. Also Taxi, dann vier Stunden Fähre bei groben Seegang in der Nacht, ein Flug von etwa fünfzig Minuten und vier Stunden mit dem Auto.


Wir verbringen den Jahreswechsel unter Wasser und tanzen nach dem Auftauchen mit etwas Heimweh Donauwalzer, den es doch tatsächlich beim philippinischen Dorffest die Straße weiter spielt. Tags darauf gibt es auch noch die super seltenen und super scheuen Thresher Sharks, die man am besten nahe einer kleinen Insel namens Malapascua etwas weiter nördlich sehen kann. Die dürfen wir uns auch nicht entgehen lassen. Also zwei Stunden Taxi, zwei Stunden Speed-Fähre, vier Stunden Taxi und 40 Minuten Fischerboot.


Zurück geht es dann mit einem Ausflugsboot auf eine einsame Insel, von der wir mit etwas Glück und einem anderen Ausflugsboot zurück auf Leyte kommen. Wären wir 10 Minuten später gekommen, dann hätten wir das Boot zurück verpasst und wären hängengeblieben.



Dann quetschen wir uns in einen Minivan, der zwar bummvoll aber nicht ganz so überfüllt wie sein nepalesischer Cousin ist und erreichen Tacloban, von wo aus wir mit den Flieger zurück nach Manila besteigen. Dort schlafen wir nicht, weil unser AirBnb gefühlt direkt an der meist befahrenen Kreuzung Asiens liegt und steigen um sechs Uhr früh ins Taxi zum Flughafen.
Prosit 2023 aus Osaka!



Sechs Monate auf Reise. Sechs Monate unglaubliche Erlebnisse und Erfahrungen. Sechs Monate neue Menschen, neue Kulturen und neue Horizonte. Ein halbes Jahr und die halbe Welt. 29.900 Wörter habe ich geschrieben und doch war für so vieles kein Platz. Ich sitze in der Lobby eines schicken Hotels und eigentlich fallen mir die Augen zu, denn heute früh um 4:30 Uhr war ich noch in Manila. Aber ich will unbedingt den Moment teilen, in dem meine Erzählung die Gegenwart erreicht. Ich sitze also in der Lobby eines schicken Hotels aber leider hat die Bar vor einer halben Stunde zugemacht. Wer hätte gedacht, dass ich jemals nüchtern meiner eigenen Gegenwart in Japan begegnen würde? Heute Abend feiert ganz Osaka übrigens das Toka Ebisu Festival, bei dem die Geister den Menschen einen Blick in die Zukunft erlauben. Das heisst aber nicht, dass ich gleich alles erzähle. Jetzt wollen wir uns erst mal an die Gegenwart gewöhnen. Also, bis gleich, gute Nacht.
Alles Gute für 2023 !!!
Und vielen Dank für die tollen Berichte
Herzlich Gerhard
Weihnachten einmal anders …mit Kreativität lässt sich das Fest super begehen … gratuliere ….. 👏👏👏👍👍👍
Dann hat es ja mit den Fuchshaien auf Malapascua geklappt! Wir freuen uns für euch! Wir wünschen noch viele tolle Erlebnisse.
Ja! Und es war unglaublich schön. Wir sind da auch einen kleinen Tunnel getaucht. War soviel, dass ich es gar nicht alles in den Beitrag bekommen habe… das muss ich wohl nochmal ran! 😂