Anmerkung des Autors: Dieser Titel ist inspiriert von W.A.Mozarts Kanon mit der Verzeichnisnummer KV 382c/d, welcher gerne zur Lektüre genossen werden darf oder fast muss. (Link dazu am Ende des Beitrags.)


War die „western Toilet“ gerade noch ein winziges Glimmen am düsteren Horizont der subkontinentalen Hygienetristesse unserer Weltreise, so trägt die 洋式トイレ (yōshiki toire) in Japan den unverkennbaren Hautgout des längst Vergangenen. Als ferne Cousine des berliner Bahnhofsklos oder überkandidelte Schwägerin des Praterhäusels begegnet einem die gute alte Kloschüssel in Japan nur mehr in wirklich ausweglosen Momenten und nach einer fast entschuldigenden Verbeugung des schamvoll wegweisenden Besitzers. Als wollte eine überlegene Gesellschaft all ihre Fortschrittlichkeit im ursprünglichsten aller menschlichen Vorgänge zur Schau stellen, ist das japanische Klo soviel mehr als nur ein Ort, an den sogar der Kaiser von China zu Fuss geht.
Wer sich erst einmal auf dem beheizten Sitz niedergelassen hat, der empfindet wahre Erleichterung.


Ist die Exkretion in unserer Welt doch nur solange von allgemeinem Interesse, bis Heranwachsende den Umgang mit Klopapier mehr oder weniger selbstständig im Griff haben, fängt der Genuss des japanischen Toillettierens dort erst an. Jedes Tabu wird hier im wahrsten Sinne des Wortes weggespült, gebraust, geföhnt. Die Tage, wo man selbst noch Hand angelegt hat sind im Land, wo die Sonne aufgeht, lange schon vorbei und so darf das geprägte und manchmal auch parfümierte Papier auch viel zu dünn sein, um seinen ursprünglich mitreißenden Zweck zu erfüllen. Dafür sind die Bedienelemente der Toilette nicht nur mit Piktogrammen und japanischen Schriftzeichen, sondern auch in Brailleschrift markiert. So leicht, das man es blind erkennt. Da bleibt dem kuscheligen Cosy Tigerchen nichts weiter, als sich in Zukunft mit 3 – Lagigem Origami zu beschäftigen.


Um den aktuellen Genderdebatten gerecht zu werden, gibt es einen Modus für große Scheißer und einen für kleine Scheißerinnen und zuletzt bleibt für alle die ausgeschissen haben noch die Qual der Wahl zwischen verschiedenen kitzel-spritzeligen, vibrierenden oder pulsierenden Wasser- und/oder Seifenstrahlen. Dreimal Kurz, dreimal Lang, dreimal Kurz oder vielleicht doch ein ur-wienerisches Lang-Kurz-Kurz? Nur eine Frage des Preises, ob sich die Bidetfunktion über die vorprogrammierten Rhythmen hinaus individualisieren lässt. Während sich eine in die Klomuschel integrierte Absaugung um die Emissionen kümmert, trocknet ein wohliger warmer Windhauch die frisch geduschten Vierbuchstaben.
温水洗浄便座 – Onsui Senjō Benza
Japanische Forscher arbeiten fieberhaft daran, den „Toilettensitz mit Warmwasser-Reinigung“ wie es richtig heisst, in Zukunft mit Technologien auszustatten, die neben Puls und Blutdruck auch Analysen zu Blutzuckerspiegel und Körperfettanteil direkt ans Smartphone liefern. Das Zeitalter der High-Tech-Toiletten beginnt im Jahr 1980 mit der Einführung der Washlet G-Serie durch Toto. Es basierte ursprünglich auf einer Erfindung des Schweizers Hans Maurer, der 1957 das Dusch-WC unter dem Namen Closomat erfand und im (europäischen) Markt einführte. Die Bezeichnung Washlet wurde zum Gattungsbegriff für alle späteren japanischen Bidettoiletten. Vor der Markteinführung des Washlet G herrschte die Auffassung, dass nur wenige Menschen bereit sein würden, mehr Geld für eine Sache auszugeben, die sie auch von Hand erledigen könnten. 1990 hatten sich erst 10 % der Japaner eines angeschafft. Diese Ansicht wandelte sich, als klar wurde, dass das Konzept funktionierte – und zwar mit erstaunlich guten Resultaten. 2002 besaßen über die Hälfte der japanischen Haushalte eine solche Toilette und damit war das Washlet verbreiteter als der Heimcomputer

Seit Klobrille und Deckel in ihre von Bewegungsmeldern begleitete, automatisierte Selbstständigkeit entlassen wurden, lassen sich übrigens nur mehr 2 von 1.000 Paaren scheiden. Was das eigentlich obligatorische Händewaschen nach dem Klo angeht, bietet ein Wasserhahn direkt über dem Spülkasten die optimale Gelegenheit. Zuerst im Verdacht schlimmster Wasserverschwendung, hat schließlich auch hier die Überlegenheit japanischer Ingenieurskunst den Sieg davon getragen. Das stylish designte Waschbecken über dem Spülkasten ist nichts weniger, als der Zulauf in den Spülkasten selbst.
Das Händewaschwasser von heute ist also das Klowasser von morgen.
Das restliche Japan jenseits der stillen Örtchen ist noch weiter jenseits meines Fassungsvermögens und so habe ich mich darauf geeinigt, meine Zeit hier mit Staunen zu verbringen. Nichts desto trotz will ich mich weiter bemühen von den kleinen Besonderheiten hier am anderen Ende der Welt zu berichten. Highlights könnten „Das Prinzip Anstellen“, „Verkehr in fünf Etagen“, „Wo ist nur all der Müll?“, „Eine schweigsame U-Bahn“ oder „In Japan rempeln nur Theaterbesucher“ werden.



oh japan
hab 2005 dort an der staatsoper in tokio gearbeitet, fand das großartig. genießt es!
lg josef
Es ist herrlich!!!
😂😂😂😂😂😂😂😂😂😂😂😂😂😂 …. genialer Beitrag …..👍👍👍👍👍
„Herzhausen“ ist doch immer wieder ein Gespräch wert! 😂